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Kleidung und Tracht

Ich gehe hier nur auf die Kleidung des Frühmittelalters in der Region Birka ein, basierend auf dem Buch Birka III „Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer“.

Materialien

Die Kleider des Frühmittelalters waren hauptsächlich aus Leinen, Hanf oder Wolle gefertigt. Seide war ein Importartikel und wurde in Birka immerhin in 45 Gräbern gefunden – damit also keinesfalls so rar wie vielleicht gedacht. Jedoch sind nur sehr kleine Seidenstücken erhalten geblieben. (Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel V)

Herstellung und Bearbeitung von Wolle

Für die Herstellung von Kleidung wurden sippeneigenen Schafe gezüchtet, die die Wolle lieferten. Nach der Schur wurde die Wolle gereinigt, zu Faden versponnen und anschließend zu Tüchern gewebt oder für Nadelgebundenes verwendet. Da Wolle schnell zum Verfilzen neigt, wurden die Kleidungsstücke mit der Zeit immer dichter und durch das enthaltene Wollfett auch wasserabweisend. Die Schafswolle wurde entweder zu recht groben oder zu sehr feinen – bis zu 60 Fäden/cm – Geweben in verschiedenen Bindungen, wie Köperbindung, Diamant- und Rautenköper und Mustern verarbeitet.
Der Großteil der Funde stellten diese Arten von verarbeiteter Wolle dar, was darauf schließen lässt, dass Wolle der Hauptbestandteil der Textilproduktion war, allein durch den Umstand der eigenes dafür gezüchteten Schafe. Somit wurde in der Wikingerzeit die Wolle als primärer Bekleidungsstoff verwendet. (Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel III)IMG_7697

Herstellung und Bearbeitung von Leinen

Leinen ist ein Produkt der Flachspflanze. Leinen war zur damaligen Zeit weitaus aufwendiger herzustellen als Wolle. Der Flachs musste zuerst angebaut und gewässert werden, anschließend geerntet, getrocknet, gebrochen, gehechelt und letztendlich versponnen und zu Stoff gewebt. Feine Fäden aus Silber und Gold veredelten die Kleidung und waren zum Beispiel in Zierborten enthalten.
Bei Ausgrabungen wurden vorwiegend Reste von leinengefertigten Kleidungsstücken gefunden, da diese über die Zeit von entstehenden Metallsalzen konserviert wurden und so das Gewebe erhalten blieb. Die gefundenen Gewebe besaßen zwischen 15 und 20 Fäden pro cm. (Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel I und II

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Trägerröcke aus Leinen und Wolle


Farben und Muster

Aussagen über Farben zu treffen, ist generell eher schwierig, da die Ursprungsfarbe durch die Verwitterung des Stoffes und durch die Wechselwirkung mit Metallsalzen oder Rost verändert sein könnte. Die Leinenkleider waren laut Agnes Geijer überwiegend weiß oder naturfarben. Einige blau gefärbte Exemplare wurden ebenfalls gefunden. Von einem kleinkariertem Stoff (blaue und grüne Fäden, abwechselnd mit rot und weiß) ist sogar ein kleines Fragment erhalten.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel II)
Das Gewebe wurde wahrscheinlich mit dem gefärbt, was in der Natur zu finden war: Zwiebelschalen, Walnussschalen, Flechten sowie Teile von Wurzeln oder Bäumen. Am Häufigsten ergaben sich daraus Gelb-, Orange-, Braun- und Grüntöne. Blaue Farbtöne wurde aus Färberwaid und Färberwau (Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel III) und rote Farbtöne wurden wahrscheinlich aus Krappwurzeln gewonnen. Beide Farbstoffe waren aufwendiger herzustellen und fanden sich daher seltener. Purpur- und Lilatöne entstanden durch abwechselndes Überfärben von Waid und Krapp. Schwarz war so gut wie gar nicht zu färben, allenfalls entstand durch mehrere Farbgänge ein sehr dunkles Grau oder Blau, zum Beispiel aus Eichenrinde.

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Gefärbte Wollstränge

Beim Färben ist darauf zu achten, dass Wolle und Leinen die Farbbestandteile unterschiedlich gut annehmen. Es sind mehrere Durchgänge des Färbens sinnvoll.
Das Färben von Leinen ist im Gegensatz zur Wolle aufwändiger. Leinen wurde oft mit einer Beize vorbehandelt, um die Fasern zu öffnen bzw. nach der Färbung zu versiegeln. Da pflanzliche Farben nicht lichtecht sind, blasste die Kleidung nach und nach aus und musste dann neu überfärbt werden.

Die Tracht

Anhand der wenigen Fundstücke läßt sich kaum ein umfassendes und genaues Bild der damaligen Kleidungssitte, der herrschenden Mode und Trageweise rekonstruieren, einige Vermutungen oder Annahmen hierzu sind jedoch möglich. Im Vergleich zur männlichen Tracht beschreibt Agnes Geijer die Frauenkleidung als uniformer und weniger schmuckreich als die der Männer. Bei den Männern findet sich darüber hinaus eine größere Schmuckvielfalt und Variationsbreite unter den Schmuckstücken sowie der Löwenanteil der Goldfunde. Seide und Silber finden sich in gleichem Ausmaß in den Frauengräbern. (Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XII).

Frauenkleidung

Untertunika
Zur Grundausstattung der Frau gehörte mindestens eine Untertunika aus Leinen. Diese war glatt oder aber plissiert. (Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XII).Der Grundschnitt einer Tunika ist im Wesentlichen ein langes Hemd mit Keileinsätzen an den Seiten, evtl. in der Mitte sowie unter den Achseln.
Anhand von Bildsteinen der damaligen Zeit ist zu erkennen, dass ein Untergewand
möglicherweise gefältelt war und bis zu den Füßen reichte.
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Trägerrock
Über der Tunika befand sich ein Trägerrock aus doppeltem Leinenstoff. Seide oder Wolle wurden seltener verwendet.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XII). Bei der Darstellung auf Bildsteinen beschreibt Agnes Geijer das Frauengewand als ein fußlanges schleppendes Kleid im Sinne eines Hängerockes. Auf einem Bild sind Querstreifen zu erkennen, die als Seidenborten gedeutet werden können. Möglich wäre aber auch die Interpretation, dass das lange plissierte Untergewand unter dem Trägerrock hervor schaute, da dieser etwas kürzer getragen wurde. Eindeutige Belege für die Länge der Kleidungsstücke jedoch fehlen. Was den Schnitt des Hängerockes anbelangt, schlägt Agnes Geijer zwei Typen vor: eine unten breiter werdende „Röhre“ mit Schulterträgern oder eine lange rechteckige Stoffbahn mit Trägern, die vorn überlappend geschlossen wurde. Belegt ist, dass die Träger lose waren und sowohl am Rand des Trägerrockes mit einer kurzen und vom Rücken über die Schulter kommend mit einer größeren Schlaufe für die Broschen oder Fibeln zum Befestigen versehen waren. Dies spricht durchaus eher für die offene Rockvariante, da die Schlaufen bei einem geschlossenen Rock weniger Sinn machen. Die Tracht wirkt auf den bildlichen Darstellungen gerade, eine Taille ist nicht erkennbar, was auf das Fehlen von Gürteln schließen lässt und durch die Fundlage bestätigt wird. (Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XII).

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vermutlich war der Hängerock an den Seiten geschlossen, nicht offen

Männerkleidung

Tunika und Gürtel
Agnes Geijer spricht von einem etwa knielangen Leibrock ( durchaus auch mit bronzenen Knöpfen verschlossen), der möglicherweise mit einem Leibriemen zusammengehalten wurde. Belege dafür hat sie allerdings nicht gefunden, es handelt sich hier um eine bloße Annahme. Belegt sind allerdings einfache Gürtelspangen, in zwei Fällen wurden auch reich beschlagene Gürtel gefunden. Bei den gefundenen Prachtgewändern fanden sich Verzierungen von quer verlaufender Brettchenborte, die wie Rippen angeordnet waren.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XII).

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Hose

Außer der Hose aus Thorsberg sind kaum Belege erhalten. Einige Runensteine (z.B. Halla, Ire, Lillbjaesi) zeigen sowohl eine Pluderhosen- ähnliche Variante, aber auch Hosen mit geradem Schnitt.

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Wadenwickel
Aufgrund von einem einzigen gefundenen Paar Tierkopfhaken läßt sich auf die Existenz von langen, um die Beine gewickelten Stoffstreifen schließen, die dann mit den Metallhaken geschlossen und an Ort und Stelle gehalten wurden.
(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XII).


Für Frau und Mann

Mantel
Es ist nicht sicher belegt, ob es sich hier um ein geschneidertes Kleidungsstück gehandelt hat oder aber schlicht um eine lose übergeworfenene Wolldecke, da zumeist nur kleine Reste des Wollgewebes auf den Fibeln des darunter liegenden Trägerrockes erhalten geblieben sind. Teilweise finden sich Randsäume und Zierschnüre an den Mantelkanten. Es fanden sich einzelne Spangen zwischen den beiden Trägerrockfibeln, die eine solche Decke möglicherweise zusammengehalten haben. Für diese Annahme spricht auch die Darstellung von Frauen auf einigen Runensteinen oder Schmuckanhängern.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XII).
Bei den Männer scheint es ein ähnliches Kleidungsstück gegeben zu haben, allerdings variiert die Lage der Befestigungsfibel ( meist Hufeisenfibel oder Ringnadel). Möglicherweise wurde den Toten der Mantel einfach ins Grab gelegt.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XII).

Verzierungen

Fellbesatz
Felle von Schaf, Eichhörnchen, Biber und Marder sind durch Agnes Geijer belegt und wurden zur Verzierung der Kleidung genutzt oder auch im Falle der Schafsfelle um die Schultern getragen.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XI; Grab Nr. 507,557,539.619,956,968 ).

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Brettchenborte, Wollschnüre und Kordeln

60 von 170 Gräbern in Birka enthielten brettchengewebte Borte, ein recht häufiges Vorkommen also.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel VII)
Sie fand vermutlich Verwendung bei der Zier von Halsauschnitt, Mützenrand (dann auch gern mit Fransenquaste), Ärmeln und Säumen, wobei diese Rekonstruktion schwierig ist, da die genaue Lage durch die starke Vermoderung oft uneindeutig ist. Wenige Funde zeugen von einer praktischen Verwendung und bestehen aus einfachen Wollfäden mit schlichtem Muster.
Auch bunte Kordeln und Wollschnüre aus Fadenresten wurden zur Aufwertung von Textilien benutzt.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel III; Grab 838).
Borten aus importierter Seide, aus Leinen- und Wollfäden wurden teilweise mit Silber- und Goldfäden verarbeitet. Dabei waren dünne Drähte des jeweiligen Metalls um einen Stützfaden gewickelt, der meist aus Seide bestand. Oftmals wurden diese Borten nach dem Weben mit einem Hammer bearbeitet, um den Metallglanz noch zu verstärken.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel VI)

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Posamente

Kunstvoll verschlungene Borten und figürliche Drahtgeflechte wurden ebenfalls zur Zierde eingesetzt und bestanden aus dünn gezogenen Gold- oder Silberspiraldrähten.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel VI)

Stickereien
Leider ist von Stickerein mit textilen Fäden hier nur wenig erhalten. Ein paar Grundstiche wie der Stielstich (Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel III; Grab 838),Ösenstich und Schlingenstich wurden zur Verzierung von Säumen und Ausschnitten verwendet(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel IX ) und waren mit Gold- oder Silberdrähten ausgeführt. Kleine Plättchen aus Gold- und Silberblech, manchmal auch Glimmer wurden als Zierde in Stickereien eingenäht genutzt.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel VI)

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Ketten und Anhänger, Fibeln und Broschen

Aus Dingen, die der Haushalt oder die Natur hergaben (Knochen, Holz, Bernstein), wurden Perlen geschnitzt und zu Ketten aufgefädelt. Auch aufwendig gedrehte Glasperlen oder fein gearbeitete Perlen aus Bronze oder Silber wurden gefunden,auch Halbedelsteine (Begrkristall, Achat etc.) wurden zur Schmuckherstellung genutzt. Obligatorisch waren die Rundfibeln oder Schildkrötenbroschen der Frauen, die zur Befestigung der Rockträger dienten. Zwischen beiden Schmuckstücken konnten Perlenreihen befestigt werden. Auch um Hals oder Handgelenke trug man Schmuck – zum Beispiel geflochtene Reifen aus Bronze oder Silberdraht. Kleine Anhänger aus Gold- oder Silberdraht wurden ebenso gefunden wie Figuren, die möglicherweise an einer Kette getragen werden konnten.
An den Fibeln aus Silber oder Bronze – meist der rechten- befestigt befand sich eine Reihe von Gegenständen: ein Messer, eine Schere,ein Nadelbehälter, Pfriem, Pinzette und Beutel mit verschiedenem Inhalt.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XII).
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Gürtel und Anhänge

In den Männergräbern fanden sich Reste von beschlagenen Ledergürteln und Gürtelspangen, die jedoch bei den Frauen gänzlich fehlten. Möglicherweise benutzen diese Brettchenborten als Gürtel, die durch die Vermoderung nicht erhalten blieben. Dagegen spricht die Darstellung von Frauen auf den Bildsteinen, bei denen eine Taille nicht erkennbar ist und es würde erklären, warum Frau soviele kleine Gegenstände an den Brustfibeln mit sich herumtrug. Der Praxiswert bei der täglichen Arbeit ist hier andererseits fraglich. Daher ist es nicht verwunderlich, daß viele weibliche Reenacter trotzdem Gürtel tragen und dort auch ihren „Kleinkram“ festmachen. Es hinge sonst einfach zuviel in der Suppe. 🙂

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Kopfbedeckungen

Kommen in der weiblichen wie der männlichen Tracht gleichermaßen vor. Auch hier findet sich die größere Abwechslung bei den Männern und mehr Gleichförmigkeit bei den Frauen. Es handelt sich um schmale brettchengewebte Bänder bei den Frauengräbern, die um die Stirn getragen wurden oder als Randabschlüsse von Käppchen Verwendung fanden. Teilweise hingen die Bandenden bis auf die Schultern herab. Auch bei den Männern fanden sich Bandreste auf Höhe der Stirn. Daran erhaltene Seidenreste deuten auf Mützen hin. Ob spitz oder abgerundet geformt, läßt sich aufgrund der schlecht erhaltenen Funde nicht bestimmen. Agnes Geijer bschreibt außerdem eine Zipfelmütze mit tütenförmigen Silberbeschlag.(Bezug: Birka III, Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer, Kapitel XII).

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Nadelgebundenes

Wärmende Mützen, Handschuhe und Strümpfe waren mit dieser Technik denkbar.
Siehe auch „Naalbinding“.
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Schuhwerk

In Haithabu wurden aus Leder gefertigte Schuhe gefunden. In Form flacher Halbschuhe oder auch als Stiefel mit Knebelverschlüssen sind sie im Museum ausgestellt.

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Frisur

Von der Darstellung auf manchen Runensteinen kann man eine Art Haarknoten ableiten. Ob dies eine Alltagsfrisur war oder ob sie nur bei festlichen Anlässen getragen wurde, darüber darf spekuliert werden. Sicher wurde das Haar bei der Arbeit zurückgebunden, ein einfacher Pferdeschwanz ist bestimmt auch nicht abwegig anzunehmen.

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